Schwerbehinderung ist wichtiger als Eigenbedarf (gegen-hartz.de)

Dr. Utz Anhalt

04.02.2025

Mann mit Umzugskiste
(c) gegen-hartz.de

Eine schwerbehinderte Mieterin muss nicht aus der Wohnung ausziehen, trotz berechtigten Eigenbedarfs der Vermieterin. Obwohl die Vermieterin ihre pflegebedürftige Mutter in der Wohnung unterbringen wollte, entschied das Landgericht Heidelberg, dass ein Härtefall vorliegt. (Az. 5 S 46/23)

Kündigung nach Wechsel des Vermieters

Die Betroffene lebt seit 2004 in einer Wohnung im Erdgeschoss. Diese ist barrierefrei und so gestaltet, dass die Frau sie mit ihrer Einschränkung und Pflegebedürftigkeit nutzen kann.

2015 übernahmen die jetzigen Vermieter die Wohnung, und 2023 kündigten sie der Mieterin wegen Eigenbedarfs laut Paragraf 573 Absatz 2 Nummer 2 BGB.

90-jährige Mutter der Vermieterin soll übernehmen

Die 90-jährige Mutter der Vermieterin sollte in die Wohnung einziehen. Sie nutzt einen Rollator und konnte selbst ihre bisherige Wohnung im dritten Stock ohne Aufzug kaum mehr verlassen. Auch einer der Enkel sollte mit seiner Familie einziehen, um die alte Frau zu unterstützen.

Die schwerbehinderte Mieterin widersprach, denn sie hatte bereits vor der der Kündigung seit 2019 intensiv nach einer alternativen Wohnung in Heidelberg gesucht und keine gefunden.

Wie ist die Rechtslage?

Der Paragraf 574 Absatz 1 BGB setzt fest, dass ein Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen kann und die Fortsetzung des Mietverhältnisses fordern, wenn dessen Ende für den Mieter, Angehörige des Haushalts oder seine Familie eine Härte bedeutet, die nicht zu rechtfertigen ist, selbst wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse hat.

Amtsgericht entscheidet gegen die Mieterin

In der ersten Instanz bekam die Vermieterin vor dem Amtsgericht Recht. Ein Härtefall liege nicht vor, und das Gericht gab der Räumungsklage der Vermieterin statt, da die Mieterin trotz wirksamer Kündigung nicht ausgezogen sei.

Das Landgericht sieht nicht zu rechtfertigende Härte

Das Landgericht hob dieses Urteil jedoch auf und entschied zugunsten der Mieterin. Das Mietverhältnis bleibt bestehen. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs sei zwar berechtigt, doch in diesem speziellen Fall überwögen die Interessen der Mieterin.

Das Mietverhältnis sei nämlich ausnahmsweise fortzusetzen, wenn die Räumung für den Mieter eine besondere Härte darstelle. Auch unter Abwägung mit den Interessen der Vermieterin sei ein Auszug für die Betroffene unzumutbar.

Beide Parteien haben ein wichtiges Interesse

Dabei führte das Gericht ausdrücklich aus, dass beide Parteien ein gewichtiges Interesse am Bezug der Wohnung hätten. Die Mutter der Vermieterin hätte aufgrund ihrer kognitiven und körperlichen Verfassung einen erheblichen Bedarf an der Wohnung.

Die derzeitige Mieterin sei jedoch aufgrund ihres Gesundheitszustands und Pflegebedarfs auf eine barrierefreie Wohnung im Erdgeschoss angewiesen.

Ein Umzug ist nicht in Aussicht

Zudem sei ein Umzug nicht in Aussicht. Die soziale und therapeutische Versorgung der derzeitigen Mieterin sei erstens eng mit ihrer jetzigen Wohnung verbunden, die sie schon seit 20 Jahren bewohne, so das Gericht.

Die Mieterin hätte vier Jahre erfolglos eine andere Wohnung gesucht, und selbst die Vermieter hätten keine gefunden, obwohl sie einen Makler beauftragt hätten. Insgesamt überwiege daher das Interesse der Mieterin.

Das Mietverhältnis muss auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden, da unklar sei, ob und wenn, dann wann die Mieterin eine zumutbare alternative Unterkunft finde.

Was bedeutet dieses Urteil

Das Urteil ist glasklar eine Entscheidung über einen Einzelfall, die sich nicht automatisch auf andere Fälle übertragen lässt.

Zuerst einmal gibt es für Mieter grundsätzlich das Recht, wegen einer ungerechtfertigten Härte ein Mietverhältnis fortzusetzen, selbst wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse hat, die Wohnung anderweitig zu nutzen.

Zweitens hat das Gericht diesen speziellen Fall aber sehr genau abgewogen, denn beide Seiten hatten hier ein wichtiges Interesse. Letztlich wog hier das existentielle Interesse der Mieterin schwerer, die überhaupt keine Alternative zu genau dieser Wohnung hatte, als das Interesse der ebenfalls pflegebedürftigen Mutter der Vermieterin. Dieses war zwar erheblich, aber nicht existentiell.

18.02.2025

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Referenz:
https://www.gegen-hartz.de/urteile/schwerbehinderung-ist-wichtiger-als-eigenbedarf

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